Wissensverteilung in der multilingualen Kommunikation

In der globalisierten Wirtschaft müssen Produktinformationen für eine äußerst heterogene Zielgruppe zur Verfügung gestellt werden. Für eine konsistente Wissensvermittlung in verschiedenen Sprachen und über unterschiedliche Kanäle genügt es dabei nicht, einen Text lediglich in die Sprache des Ziellandes zu übertragen. Unternehmen sollten sich außerdem mit der Frage beschäftigten, wie sich eine konsistente multilinguale Kommunikation gestalten lässt. Welches Vorwissen braucht der Empfänger, um eine Botschaft zu dekodieren? Welches Wissen kann der Sender voraussetzen? Welche Informationen müssen zum richtigen Verständnis in der Botschaft enthalten sein? Hierbei geht es auch um die Verwendung von Begriffen und ihrer korrekten Übersetzung in bestimmten Kontexten sowie um kulturelle Aspekte, die sich z. B. in der unterschiedlichen Bedeutung von Farben und Symbolen wiederfinden.

Die Entstehung und Verteilung von Wissen ist bereits innerhalb eines Unternehmens sehr komplex. Informationen und Know-how sind in den Fachabteilungen unterschiedlich ausgeprägt. Mit sich daraus ergebenen differenzierten Kommunikationszielen vermitteln die Akteure ihr Wissen sowohl intern als auch nach außen und generieren dabei verschiedene Textsorten. Ob Präsentationen aus dem Vertrieb, Geschäftsberichte der Presseabteilung, Handbücher aus dem Produktmanagement oder Broschüren aus dem Marketing – unabhängig davon, wer auf welche Weise kommuniziert, ist es wichtig, eine einheitliche Botschaft zu vermitteln. Kommt noch der Anspruch der Mehrsprachigkeit hinzu, werden weitere Personen wie Sprachdienstleister oder freiberufliche Übersetzer in den Kommunikationsprozess involviert.

Das gleiche Wissen bei jedem Empfänger erzeugen

Bei der Vielzahl an Beteiligten im Prozess der Wissensvermittlung sollte es Ziel eines multilingual tätigen Unternehmens sein, über alle Kanäle und Sprachen hinweg das gleiche konsistente Wissen bei der Zielgruppe zu erzeugen. Dies ist in Anbetracht unterschiedlicher Rahmenbedingungen bei Sendern und Empfängern gleichzeitig die größte Herausforderung multilingualer Kommunikation. In erster Linie muss dafür eine gemeinsame Ebene geschaffen werden, um das Wissen im Unternehmen so zu verwalten und allgemein verfügbar zu machen, dass es sich konsistent vermitteln lässt. Wissen und Informationen aus dezentralen Prozessen – also auch personenbezogenes Referenzwissen – sollten auf einer gemeinsamen Plattform gesammelt werden, um eine einheitliche Informationsquelle zu schaffen. Je besser die Durchsetzung eines Prozesses zur Wissensverwaltung gelingt, umso größer ist der Nutzen für alle Mitarbeiter.

Wissensmanagement beginnt auf der Datenebene

Der Aufbau eines solchen zentralen Informations- und Wissensbestands ist zudem für den Kernprozess der Übersetzung von Bedeutung. Neben der Pflege eines Unternehmens-Wikis, das die gemeinsame Informationssammlung ermöglicht, kann ein geeignetes Translation-Management-System hier wertvolle Unterstützung leisten. Dabei werden auf einer zentralen Plattform nicht nur alle bisherigen Übersetzungen als Satzpaare gespeichert und für alle internen und externen Projektbeteiligten zugänglich gemacht. Ein integriertes Terminologiesystem beinhaltet zudem die komplette Firmenterminologie inklusive aller Übersetzungen, Definitionen, Verwendungshinweise und weiterer Zusatzinformationen. Informationen sind neben Know-how und Erfahrung ein wichtiger Bestandteil von Wissen und stellen ihrerseits die Verbindung von Daten und ihrem Kontext dar.

Mit Hilfe der Funktionen eines Translation-Management-Systems lassen sich Daten so strukturieren, dass sie im Kontext eines bestehenden Textes betrachtet werden können. Aus dem Übersetzungsspeicher (Translation Memory) und der Terminologiedatenbank können neben den Sprachdaten auch Metadaten, Kontext und Referenzdaten abgeleitet werden. Ein in den Übersetzungsprozess integriertes Qualitätsmanagement ist hingegen die Quelle von Statistiken und Fehlertypisierung, Schritte und Ablaufdiagramme entstammen der Prozessstruktur und Dateiformate liefern letztlich Input- und Output-Spezifika. Aus diesen unterschiedlichen Quellen gehen kontextbezogene Daten angereichert durch Erfahrung und Know-how – beispielsweise zu den Kenntnissen und Erwartungen der Zielgruppe – in die allgemeine Wissens- und Informationsverwaltung ein. Dort stehen sie anschließend für die Verwendung zur Verfügung, sei es in der Übersetzung, bei der Quelltexterstellung, für die Allgemeinheit oder für den Einsatz in Drittsystemen.

Etablieren einer allgemeinen Wissens- und Informationsverwaltung

Praktische Ausgestaltung einer solch allgemeinen Wissens- und Informationsverwaltung können, wie oben angedeutet, die Datenbanken des Translation-Management-Systems selbst sein. Vor allem die Terminologiedatenbank wird von vielen Unternehmen gern als Glossar genutzt, um z. B. neuen Mitarbeitern die Einarbeitung in die Fach- und Firmenterminologie zu erleichtern. Das Terminologiesystem kann zum einen aus Bestandsdaten sowie der Termextraktion aus Quelltexten oder dem Translation Memory gespeist werden. Translation Memorys enthalten mit den Übersetzungen auch alle bisher verwendeten Fachbegriffe. Durch die Extraktion bilingualer Terminologien oder der Komplettierung von Lücken in den Zielsprachen lassen sich Benennungen, Unworte und Übersetzungsvarianten auffinden.

Eine weitere Möglichkeit, den Datenbestand im Terminologiesystem zu erweitern, sind Vorschläge von Mitarbeitern aus den Fachabteilungen. Erlaubt das System entsprechende Workflows für das Vorschlagswesen, können Benennungen zunächst in einer separaten Instanz gespeichert werden, bis der zuständige Terminologe diese bearbeitet und für die Datenbank freigegeben hat. So wird das Terminologiesystem zur Grundlage konsistenter Texte in allen Sprachen. Hohe Sprach- und Textqualität führt wiederum zu einem effizienteren Wissensmanagement.

Sprache und Wissensmanagement stehen in unmittelbarem Zusammenhang, denn nur durch eindeutige Benennungen und verständliche Formulierungen kann Wissen erfolgreich vermittelt werden. Sprachliche Aspekte wie die Verständlichkeit sind also essentiell bei der Wissensvermittlung. Konkrete sprachorientierte Aufgaben im Wissensmanagement, bei denen die Komponenten eines TMS unterstützen können, liegen in der Indexierung und der Dokumentklassifikation, dem Information Retrieval sowie der Thesaurus- und Ontologieerzeugung. Bei der Indexierung werden Dokumenten Deskriptoren (aus einem Thesaurus) zugeordnet. Dokumentklassifikation beinhaltet die inhaltliche Klassifikation von Dokumenten zu Themenbereichen aufgrund sprachlicher Inhalte. Das Retrieval, also die Informationssuche, wird erleichtert durch eine begriffsorientierte Terminologie mit festgelegten Benennungen und Definitionen. Thesaurus- und Ontologieerzeugung schließlich umfassen das Erfassen und Ordnen  von Begriffen und Relationen.

Sprache erfüllt im Wissensmanagement vor allem die Funktionen des Suchens und Findens, der Navigation, Zuordnung sowie des Verwaltens und Verknüpfens. Zu den sprachlichen Anforderungen bei der Quelltexterstellung und Übersetzung gehört daher – neben grammatikalischer Korrektheit – unabdingbar die Konsistenz auf Ebene der Terminologie und der Formulierung. Das heißt, dass derselbe Begriff nicht je nach Abteilung unterschiedlich benannt oder in verschiedenen Zusammenhängen verwendet wird. Verständlichkeit ist eine weitere Anforderung, die sich mit Beachtung der Konsistenz bereits größtenteils erfüllen lässt. Demnach muss die verwendete Sprache eindeutig und der Zielgruppe angemessen sein.

Die Terminologiedatenbank vermittelt konsistentes Wissen an Empfängerkreise

Um Botschaften konsistent zu vermitteln und bei der Zielgruppe ein gemeinsames Verständnis zu erreichen, muss auf Unternehmensseite eine einheitliche Wissensbasis vorhanden sein. Durch die Integration der unterschiedlichen Datenquellen in den gesamten Redaktions- und Übersetzungsprozess kann ein Translation-Management-System zum Werkzeug allgemeiner Wissens- und Informationsverwaltung werden. Als solches stellt es das in ihm gespeicherte konsistente Wissen den verschiedenen Nutzern für die Texterstellung zur Verfügung. So kann beispielsweise der Übersetzer während seiner Arbeit das Terminologiesystem  für tiefer gehende Recherchen nutzen und erhöht dadurch die Qualität der Übersetzung. Qualitätsprüfungen können direkt im Workflow definiert werden.

Die Allgemeinheit kann auf das Terminologiesystem als Wissensspeicher z. B. per Web-Browser zugreifen; hierfür ermöglichen einige Systemhersteller die vielseitige Anpassung der Datenbank, etwa in Bezug auf Sichtbarkeit von Informationen oder Corporate Identity. Auch der Zugriff auf die Terminologiedatenbank aus beliebigen Anwendungsprogrammen heraus lässt sich in einigen Systemen einfach realisieren. So ist der letzte, entscheidende Schritt getan von der Erstellung konsistenter Texte an der Quelle bis zur erfolgreichen Übermittlung des enthaltenen Wissens an die jeweilige Zielgruppe, ganz gleich in welcher Sprache.

Christian Weih, Vertriebsleiter, Across Systems GmbH

Christian Weih ist Vertriebsleiter bei der Across Systems GmbH, dem Hersteller des Across Language Server. Er studierte Anglistik an der Universität Mannheim. Bei Across Systems berät er Kunden zu Sprachtechnologie, Übersetzungsworkflows und integrierten Lösungen beispielsweise für übersetzungsgerechtes Schreiben.

Mit freundlicher Genehmigung der Fachpublikation wissensmanagement

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