Wege aus dem Sprachenlabyrinth
Ob Simplified English oder eine andere Kontrollierte Sprache: Sprachliche Vereinheitlichungen können Lesern das Verständnis von Gebrauchstexten erleichtern. Technische Redakteure, die beim Schreiben Standards einhalten sollen, benötigen aber Unterstützung durch Autorenwerkzeuge und Prüfprogramme.
Angesichts der über sechstausend Sprachen, die heute noch auf der Welt gesprochen werden, ist es naheliegend, für die Basiskommunikation eine gemeinsame internationale Austauschsprache zu nutzen. Schon ab dem 16. Jahrhundert war man auf der Suche nach einer Universalsprache.
Ende des 19. Jahrhunderts wurde Esperanto erfunden, eine Kunstsprache, die leicht erlernbar sein und der internationalen Verständigung dienen sollte. Heute hat sich – zumindest in den westlichen Industriestaaten und deren Einflusssphären – Englisch als Weltsprache durchgesetzt.
Trend zur Sprachstandardisierung
Allerdings reichen die englischen Sprachkenntnisse von Nicht-Muttersprachlern nicht immer aus, um beispielsweise komplexe technische Beschreibungen in Englisch richtig verstehen zu können. So wurde vor allem von amerikanischen Unternehmen die Idee eines „vereinfachten Englisch“ entwickelt. Dadurch sollten weltweit Servicetechniker und Anwender die Möglichkeit haben, die englischsprachigen Anleitungen mühe- und fehlerlos zu verstehen, sodass der Hersteller auf kostspielige Übersetzungen in die jeweilige Sprache des Exportlandes verzichten kann.
Das erste "Kontrollierte Englisch" wurde Anfang der 1970er Jahre von der Caterpillar Tractor Company entwickelt. Etwa 10 Jahre später folgte das AECMA Simplified English des Verbandes der europäischen Luft- und Raumfahrtindustrie, das heute als ASD Simplified Technical English (ASD STE) der Sprachstandard in der internationalen Luft- und Raumfahrtindustrie ist. Ansätze für Kontrollierte Sprache gibt es im Bereich der Technischen Dokumentation auch in allen anderen Erstellungssprachen. Dank seiner Verbreitung und seiner Grammatik (nur ein Genus, wenige Deklinationsformen usw.) ist Englisch dafür allerdings besonders geeignet.
Simplified English wurde in erster Linie entwickelt, um Übersetzungen in andere Sprachen überflüssig zu machen. Aber auch als Basis für Übersetzungen – nicht zuletzt mit Computerunterstützung wie etwa Translation-Memory-Systemen – hat es sich bewährt, wenn ein Text möglichst einfach und eindeutig geschrieben ist und dieselben Fachausdrücke und ein einheitlicher Stil verwendet werden.
Stark reduzierter Wortschatz
Damit eine Sprache kontrolliert eingesetzt werden kann, braucht sie ein überschaubares Regelwerk für Wort- und Satzbildungen sowie einen festgelegten reduzierten Wortschatz. Damit ist eine Kontrollierte Sprache eine definierte Untermenge einer natürlichen Sprache.
Das Regelwerk des ASD STE erläutert in neun Abschnitten unter anderem, wie das Wörterbuch mit dem reduzierten Wortschatz anzuwenden ist. Es gibt Hinweise zur Satzbildung in anleitenden und beschreibenden Texten und macht Vorgaben für die Erstellung von Sicherheits- und Warnhinweisen. Viele der Schreibregeln sind in ähnlicher Form auch in Redaktionshandbüchern von Technik-Redaktionen zu finden, in denen zwar nicht Simplified English geschrieben wird, sondern die Maxime ‚Verständlichkeit’ gilt. Darunter fallen etwa die Empfehlungen „Use the active voice“, „Write only one instruction per sentence“ oder „In an instruction, write the verb in the imperative (‚commanding’) form”.
Die Besonderheit von Simplified English besteht also nicht so sehr in den Schreibregeln als vielmehr im Wörterbuch. Das Wörterbuch von ASD STE enthält zwar gegenüber der natürlichen Sprache einen stark reduzierten Wortschatz, ist aber trotzdem ziemlich umfangreich. Neben den Wörtern der Gemeinsprache, die in Simplified English erlaubt sind, werden auch Verwendungsbeispiele angegeben. Darüber hinaus sind in dem Wörterbuch auch sogenannte ‚unerlaubte Wörter’ aufgenommen, die nicht verwendet werden sollen. Dies können Wortformen von eigentlich zugelassenen Wörtern sein. So wäre beispielsweise das Verb "open" erlaubt, die Form "opening" hingegen nicht. Daneben ist auch eine Auswahl von tatsächlich nicht zu verwendenen Wörtern aufgenommen, so ist das Verb "terminate" nicht erlaubt, der Anwender erhält daraufhin den Korrekturvorschlag "stop". Eine spezielle Fachterminologie nennt das Wörterbuch nicht. Diese muss immer fachbereichs- oder firmenspezifisch erarbeitet und ergänzt werden.
Wann lohnt sich Simplified English?
Die Entscheidung, Simplified English in anderen Industriebereichen einzuführen, sollte von mehreren Faktoren abhängig gemacht werden. Wenn Simplified English die bisherige Übersetzung von Texten ablösen soll, lassen sich – je nach Sprachenanzahl und Textmenge – enorme Einsparungen erzielen. Allerdings ist Simplified English nur für bestimmte, zu schulende Zielgruppen, wie etwa Servicetechniker geeignet. Benutzerdokumentationen für Produkte, die innerhalb der EU vertrieben werden, müssen in jedem Fall in die entsprechenden Zielsprachen übersetzt werden.
Wenn technische Dokumentationen schon bisher nur in Englisch erstellt und nicht übersetzt werden, ist das Einsparpotenzial bei einer Umstellung auf Simplified English eher gering. Zunächst steigen die Aufwände, da Regelwerk und Wörterbuch entwickelt, Redakteure geschult und Texte neu geschrieben werden müssen. Dennoch kann sich Simplified English auch in diesem Fall rechnen, da die Qualität der Texte steigen wird und mit einer verbesserten Wiederverwendbarkeit von Textmodulen zu rechnen ist.
Um Simplified English auf andere Industriebereiche zu übertragen, muss im Wesentlichen das Wörterbuch des Verbandes der europäischen Luft- und Raumfahrtindustrie (ASD Simplified Technical English, ASD STE) angepasst und um die Fachterminologie erweitert werden. Die Terminologiefestlegung ist nicht nur eine Fleiß- und Überzeugungsarbeit, sie verlangt auch genügend Fachwissen, um Synonyme zu erkennen und zur Disposition stellen zu können. In jedem Fall ist eine gründliche Analyse des bestehenden Textkorpus notwendig, um die Term-Kandidaten zu ermitteln.
Ein Technischer Redakteur, der Simplified English schreiben will oder soll, benötigt eine gute Ausbildung. Zusätzlich zu seinen Standardqualifikationen muss er die englische Sprache sehr gut beherrschen und im Regelwerk und in der Anwendung des Wörterbuchs geschult werden. Darüber hinaus braucht er bei seiner täglichen Arbeit eine Software, die ihn beim Schreiben unterstützt und vor allem die Einhaltung des vorgeschriebenen Wortschatzes überprüft. Am Markt ist eine Reihe von Prüfprogrammen für Simplified English erhältlich. Die meisten bieten einen großen Funktionsumfang, sind aber auch sehr teuer und auf die Luft- und Raumfahrtindustrie zugeschnitten. Mit Produkten wie dem Language Checker für Simplified English von cognitas gibt es vergleichsweise preisgünstige Alternativen, die sich noch dazu an andere Industriebereiche anpassen lassen.
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Informationen zur Autorin:
Susanne Murawski, Studium der Germanistik und Politikwissenschaft (Lehramt) an der Universität Marburg. Weiterbildung DV-Organisation. Seit 1986 Technische Redakteurin im Bereich Datentechnik. Seit 2000 Abteilungsleiterin bei der cognitas GmbH. Schwerpunkte Übersetzungsmanagement und Terminologiemanagement, Textstandardisierung.