Vom kulturellen Linienrichter zum Retter in der Not - Ein kleiner Übersetzungsknigge
Eine Übersetzung ist die „Übertragung eines (meist schriftlich) fixierten Textes von einer Ausgangssprache in eine Zielsprache“, so besagt es eine allgemeingültige Definition. So etwas lässt sich gut verkaufen, weil heute in Wirtschaft und Wissenschaft, in Politik, Kultur und Gesellschaft ständig irgendetwas in andere Sprachen auf allen Kontinenten kommuniziert werden muss.
Vorausgesetzt wird allerdings, dass man bei der Lektüre des übersetzten Textes das gleiche darunter versteht, wie der Leser in der Ausgangssprache. Ist dies nicht der Fall, wurde meist nicht der Ausgangstext in die Zielsprache übertragen, sondern ein neuer Text angefertigt, der sich nur scheinbar auf die Vorlage bezieht. Konkret gesagt: „Wenn Dir in Malaysia ein Gerät um die Ohren fliegt, das in Mannheim zuverlässig Weißbrotscheiben toastet, ist das Ding entweder manipuliert oder der Übersetzer der Bedienungsanleitung hat versagt.“ Grund genug, Übersetzungen nur demjenigen anzuvertrauen, der zumindest beide Sprachen beherrscht und dazu ein Grundmaß an technischem Sachverstand hat. Aber kein Grund zur Sorge, ein kompetenter Übersetzungsdienstleister hat dafür im Normalfall die richtigen Leute.
Herausforderungen
Ist das Thema mit dieser simplen Moral wirklich zufrieden stellend behandelt? Wagen wir ein einschränkendes „nein“. Sie mag für Toaster und andere Resultate der Technologie ausreichen, aber nicht für Kommunikation, die auf bestimmte Emotionen zielt oder diese unbeabsichtigt tangiert. Was, wenn ein Dokument zwar den gleichen Zweck wie in der Ausgangssprache hat, aber deswegen noch lange nicht dasselbe aussagen will? Überall auf der Welt gibt es Traditionen, Sitten und kulturelle Standards, die massiv voneinander abweichen und die man bei Übersetzungen unbedingt beachten sollte. So kann ein Werbetext, der in zwei Ländern das gleiche Produkt anpreisen will, durchaus unterschiedlich Botschaften beinhalten. Werbung sollte schließlich immer auf die jeweilige Zielgruppe zugeschnitten sein.
Über Arbeitsplätze...
Dazu ein unverfängliches Beispiel: Die Sicherung von Arbeitsplätzen in Deutschland ist ein hehres Ziel, das zweifellos eine positive Werbewirkung haben kann und gerne dafür verwendet wird. Dann drängt der Hersteller mit seinem Produkt auf den dänischen Markt, will seine Werbebroschüren ins Dänische übersetzen lassen, und schon wird aus der schönen patriotischen Pflicht ein Ausdruck von nationalem Protektionismus, der wirklich keinen einzigen dänischen Konsumenten zum Kauf überzeugt. Wer kümmert sich denn bitte um die Arbeitsplätze im seinem Land? Aber die Werbeabteilung des Auftraggebers denkt sich nichts dabei und dann muss der externe Übersetzer selbst die Notbremse ziehen. Er muss werbetechnisch mitdenken, nicht nur sein Handwerk ausführen.
...und anzügliche Abbildungen
Stufe zwei dieser Problematik: Publikationen können nicht nur unvorteilhaft (wie im ersten Beispiel) sein, sondern anstößig und den Sitten eines Landes widersprechend. Ein Hochglanzprospekt mit vielen Abbildungen soll ins Arabische übersetzt werden. Kein Problem für den Profi-Übersetzer, der auch komplizierte Fachtexte mühelos beherrscht. Aber merkt er auch, dass eines der Bilder im Abschnitt „Kundenservice“ eine junge Frau am Arbeitsplatz zeigt, die mit bloßen Händen die Tastatur bedient und den Telefonhörer hält? Wenn dieses Bild unverändert in die arabische Dokumentation übernommen wird, könnten Sie in einigen Ländern Schwierigkeiten bekommen, weil nackte Hände eben nicht dargestellt werden dürfen. Und wenn der Prospekt schon gedruckt ist, haben Sie womöglich eine Stange Geld zum Fenster rausgeworfen. Ein Übersetzer ist nicht für alternatives Bildmaterial zuständig, aber er sollte den Auftraggeber auf den Sachverhalt hinweisen und entsprechende Tipps geben. Vorausgesetzt, er ist mit Sitten und Gebräuchen im Zielland gut vertraut.
Pajero oder Montero?
Richtig pikant wird es, wenn Ihre Kommunikation unbeabsichtigt zur Beleidigung wird. Schon bei Produktbezeichnungen sollten Sie vorsichtig sein, je mehr nationale Märkte Sie erfassen wollen. Ein Beispiel aus der Automobilindustrie (das vom Hersteller freilich erkannt wurde) zeigt das in aller Deutlichkeit. Wer sich für Geländewagen interessiert, stößt eventuell bald auf den Pajero der japanischen Marke Mitsubishi – sicherlich ein höchst passables Gefährt. Dann machen Sie eine Urlaubsreise in die Pyrenäen und wundern sich, warum Ihre spanischen Nachbarn auf dem Zeltplatz ständig pikiert zu Ihnen rüberschauen. Die Antwort liegt nahe: „El pajero“ heißt auf Deutsch schlicht „Der Wichser“. Gratulation! Wenn Ihre Reise jetzt sehr kontaktarm wird, wundern Sie sich bitte nicht. Aber die spanische Niederlassung von Mitsubishi kennt den Zusammenhang natürlich gut, weswegen dieser merkwürdige Zeitgenosse hier zum Jäger wurde, das Auto dementsprechend „Montero“ (Dt: Jäger) heißt. Ein guter Übersetzer wiederum sollte solche Fälle ebenfalls zuverlässig entdecken, bevor sich der Auftraggeber aufs Glatteis begibt. Lassen Sie dem Dienstleister lieber etwas mehr Zeit, Hals-über-Kopf-Übersetzungen sind anfällig für Fehler.
Ein sch... Auto?
Im Übrigen kann so etwas nicht nur bei Eigennamen passieren, wie die Firma Toyota zeigt. Zahlreiche Automobile tragen bekanntlich statt Namen Kombinationen aus Zahlen und Buchstaben, Pate stehen legendäre Fahrzeuge wie der V12 von Aston Martin oder der SL 600 eines bekannten schwäbischen Autobauers. Oder eben der Sportwagen MR2 von Toyota. In Frankreich spräche man vom MRdeux [em er ’dø], dem Wort „merde“ nicht unähnlich. Das wiederum ist weder besonders höflich, noch eine gute Werbestrategie für den Verkauf des MR2, weswegen man bei Toyota France nur vom „MR“ spricht.
Konsequenzen
Derartige Beispiele gibt es viele. Und nicht immer wird rechtzeitig die Notbremse gezogen. Peinliche Übersetzungen finden wir schließlich nicht nur beim Pizzabäcker unseres Vertrauens, sondern auch im scheinbar professionellen Bereich bei größeren Unternehmen. Und das kann richtig aufwendig und teuer werden. Die Moral dieser kurzweiligen Zusammenstellung ist wiederum entsetzlich einfach: Lassen Sie den Profi ran, wenn es um Übersetzungen geht. Ein Muttersprachler, der den Markt vor Ort kennt oder sogar im Zielland lebt, kann Ihre Dokumentation markt- und kulturgerecht übersetzen – mit Grafiken und allem, was dazu gehört. Zweitens: Verkaufen Sie nicht ein Produkt gleichförmig an die ganze Welt, sondern machen Sie ggf. individuelle Angebote mit verschiedenen Produktnamen, neuen Werbebotschaften und unter Berücksichtigung lokaler Faktoren. Die Produktion bleibt davon beinahe unbetroffen, die Landesgesellschaft hingegen wird es Ihnen danken.
Übrigens:
Wenn ein Wiener Spezialitätenrestaurant den Kaiserschmarrn als „Emperors nonsense with powdered sugar“ anbietet, zeigt das die Schwäche maschineller Übersetzungen recht deutlich. Denn dazu wäre kein Human-Übersetzer fähig.

Informationen zur Autorin:
Tanja Damato leitet seit 2007 Vertrieb und Marketing sowie seit 2008 Teilbereiche der Produktion der Transline Deutschland GmbH.