Mit PI-Mod Informationen schneller strukturieren

Bei der Einführung eines XML-basierten Content-Management-Systems (CMS) stehen Maschinen- und Anlagenbauer vor der Frage, wie sie die Informationen für ihre technische Dokumentation am besten strukturieren und verwalten. Eine Projektgruppe hat zusammen mit Anwendern, Dienstleistern und Anbietern dafür ein einheitliches Informationsmodell zur Verfügung gestellt. Die Online-Plattform dokuworld sprach mit Prof. Wolfgang Ziegler dem Leiter des Master-Studiengangs Technische Redaktion in Karlsruhe und Initiator des Projekts über den Nutzen von PI-Mod.
Frage: Haben Maschinen- und Anlagenbauer spezifische Anforderungen, was die technische Dokumentation anbelangt?
Ziegler: Zunächst einmal sind die normativen Anforderungen viel strenger als in anderen Branchen, von der pharmazeutischen Industrie und Luftfahrt vielleicht abgesehen. Es gibt klare Vorgaben wie die Maschinenrichtlinie, die sich in den Benutzerdokumentationen widerspiegeln. Unter diesem normativen Gerüst haben sich in den letzten Jahren erfahrungsgetriebene Methoden entwickelt, wie man solche Informationen für den Maschinenbau strukturieren sollte. Das Problem ist, dass viele dieser Erfahrungen in den jeweiligen Redaktionssystemen stecken. Jedes Unternehmen hat meist für sich selber standardisiert, wenn es XML-basierte Redaktionsprozesse eingeführt hat, aber es gibt keinen übergreifenden Standard für eine inhaltliche Strukturierung. Unser Ziel mit PI-Mod war es, die Erfahrungen aus verschiedenen Projekten im Maschinenbau auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen und anderen Unternehmen zugänglich zu machen.
Frage: Wie verbreitet ist denn der CMS-Einsatz im Maschinenbau, verglichen mit anderen Branchen?
Ziegler: Diese Branche ist der absolute Vorreiter. Großunternehmen wie Liebherr, Siemens, Heidelberger Druck und andere haben das schon vor über zehn Jahren vorangetrieben, so dass wir heute durchaus auch dem amerikanischen Markt in der Breite voraus sind. Es gibt im deutschsprachigen Raum eine ungewöhnlich große Zahl und Vielfalt von Redaktionssystemen. In der letzten CMS-Studie der tekom sind 26 Anbieter aufgeführt und darüber hinaus gibt es weitere Systeme. Wir haben den Verbreitungsgrad der Systeme bei den tekom-Mitgliedern erhoben: Er liegt bei Großunternehmen zwischen 70 und 80 Prozent, im Mittelstand bei 50 bis 60 und bei den kleineren Unternehmen immerhin noch 30 Prozent. Die Zielrichtung der Anbieter geht klar weiter in Richtung standardisierte und kostengünstigere Anwendungen.
Frage: Wie erklärt sich bei dem hohen Verbreitungsgrad der enorme Aufwand, den die Unternehmen immer noch bei Auswahl und Implementierung von CMS treiben?
Ziegler: Das hängt zum Teil mit einem gewissen methodischen Ausbildungsrückstand in der technischen Dokumentation zusammen. Viele Mitarbeiter, die heute im Redaktionsbereich arbeiten, sind dafür ursprünglich nicht ausgebildet worden und kennen deshalb die neuen Werkzeuge und Methoden noch nicht aus dem Studium. Dennoch gibt es mittlerweile auch dank der Aktivitäten der tekom ein relativ breites Wissen über den Nutzen von Standardisierung, Strukturierung und Modularisierung, mit dem Ziel die Inhalte wieder zu verwenden. Im Zuge der Systemeinführung müssen aber häufig vollkommen neue Arbeitsweisen und Prozesse implementiert werden, was manchmal bei den Anwendern auf Widerstände stößt. Dann ist die Integration in andere Geschäftsanwendungen relativ aufwändig, wenn Redaktionssysteme als Insellösungen für die Optimierung der technischen Dokumentation entstanden sind und sich nun Schritt für Schritt öffnen. Die aktuelle Entwicklung geht aber eindeutig in Richtung einer Integration der Informationsprozesse und -systeme in den gesamten Unternehmenszusammenhang.
Frage: Welche Probleme treten denn bei der CMS-Einführung auf und wie kann man sich darauf vorbereiten?
Ziegler: Gerade die Vorarbeiten sind extrem wichtig. Man muss ein Verständnis für die zum Produkt passende Modularisierung entwickeln. Dabei stellt man fest, dass eine Migration der bestehenden Informationen selten einfach möglich ist. Viele Unternehmen trifft diese Erkenntnis unerwartet. Sie benötigen ein sauberes Umstiegskonzept, das normalerweise so aussieht, dass neue Produktlinien mit dem neuen System dokumentiert werden. Das heißt, dass über einen gewissen Zeitraum beide Prozesse unterstützt werden müssen, was im Maschinenbau besonders schwierig ist, weil die Produktlebenszyklen relativ lang und die personellen Ressourcen sowohl in guten wie in schlechten Jahren immer knapp sind.
Frage: Gibt es für die Modularisierung denn ein Patentrezept?
Ziegler: Eine generelle Regel gibt es so leider nicht. Das Modularisierungskonzept ist produkt- und dokumentenabhängig und hängt zum Teil auch vom jeweiligen System ab. Im Konsumgüterbereich bildet man üblicherweise kleinere, im Maschinen- oder Anlagenbau größere Einheiten und legt eine produktorientierte Metadatenstruktur um diese Informationsbausteine. Dieser notwendige Planungsprozess lässt sich als ein echtes „Content-Engineering“ bezeichnen. Oft startet man auch mit einem relativ groben Konzept, das nach und nach verfeinert wird. Voraussetzung ist natürlich, dass das CMS eine nachträgliche Veränderung der modularen Strukturen und der Verwaltungsinformationen zulässt. Hier scheidet sich die Spreu vom Weizen.
Frage: Welche Hilfestellung bietet nun PI-Mod bei der Strukturierung der Informationen?
Ziegler: PI-Mod ist ein grundlegender Ansatz für die modulare Produkt- und die Informationsklassifikation, der nichts neu erfindet, sondern das, was in den Projekten seit Jahren gemacht wird, auf einen Nenner zu bringen versucht. Es ist ein systemneutrales und kostenfreies Open Source-Informationsmodell, das eine einheitliche Struktur für die modulare Erfassung von Informationen bietet und dabei wesentliche semantische Informationsstrukturen für die Anwender- und Service-Dokumentation berücksichtigt. Zudem sind Mechanismen für individuelle Anpassungen vorgesehen. Dadurch kann es in beliebigen CMS implementiert werden.
Frage: Muss man sich das wie eine DITA für den Maschinen- und Anlagenbau vorstellen?
Ziegler: Es handelt sich auch bei PI-Mod um eine freie und kostenlose Lösung, die insofern keine Konkurrenz zu DITA ist, sondern eher eine Ergänzung, eine praxiserprobte Methode, um modulare Informationen für den Maschinenbau zu erstellen. Da stecken Best Practices drin, die wir in den letzten Jahren als wirksam empfunden haben, beispielsweise die automatische Generierung von Wartungsplänen, die automatische Umrechnung von Einheiten, Handlungsbeschreibungen mit Sicherheitshinweisen wie man sie im Maschinenbau in allen Systemen wieder findet. Dieses Erfahrungswissen haben wir gebündelt und stellen es kostenfrei zur Verfügung. Wir haben PI-Mod auch so gestaltet, dass es möglichst leicht mit bestehenden Redaktionssystemen genutzt werden kann. Eine losgelöste Anwendung – analog zum Open-Tookit von DITA – ist derzeit nicht vorgesehen. Allerdings stehen verschiedene Ausgabemedien über Vorlagen zur Verfügung.
Frage: Maschinenbauer, die das Informationsmodell implementieren, hätten dann unabhängig vom eingesetzten Redaktionssystem eine einheitlich strukturierte Dokumentation?
Ziegler: Von der Logik ja, von der Implementierung gibt es natürlich von System zu System Unterschiede. Hierdurch differenzieren sich dann auch wieder die Anbieter.
Frage: Vereinfacht PI-Mod dadurch auch die Einbindung der Zulieferer in den Dokumentationsprozess?
Ziegler: Grundsätzlich ja, aber die Schwierigkeiten bei der Zulieferintegration sind nicht technischer, sondern methodischer und organisatorischer Natur. Häufig sind die Zulieferer im Maschinenbau kleine Unternehmen, die bei der Dokumentationserstellung nicht nach strukturierten Prozessen arbeiten, sondern Einzeldokumentationen nach ihren – häufig beschränkten – Möglichkeiten erstellen. Hierfür müssen und werden die Systemanbieter sicher noch einfachere und praktikable Lösungen liefern. Interessanterweise sind die Unternehmen bei den ersten Projekten aber durchaus mit dem Anspruch angetreten, auch ihre Zulieferer einzubinden. Das ist aber erst der nächste Schritt, für den man die technologische Basis legen muss.
Frage: Welche Vorteile haben die Anwender von der Nutzung des einheitlichen Informationsmodells?
Ziegler: Der größte Vorteil ist natürlich, dass es für die Unternehmen wesentlich kostengünstiger und schneller ist, eine erprobte, maschinenbaukonforme Struktur zu implementieren, die von verschiedenen Redaktionssystemen unterstützt wird. Sie profitieren von dem Erfahrungswissen anderer, da es sich um die jeweils besten Mechanismen aus unterschiedlichen Redaktionssystemen handelt. Auch aus Hochschulsicht hat die Vereinheitlichung – wie bei anderen standardisierten Informationsmodellen – den positiven Nebeneffekt, dass derartige Strukturierungsmethoden, schneller genutzt werden können. Unsere Studenten sind mit derartigen Methodiken und Strukturen bereits vertraut, wenn sie in die Unternehmen kommen.
Frage: Welche Dokumenttypen unterstützt PI-Mod denn heute?
Ziegler: Da es sich um ein erfahrungsgetriebenes Informationsmodell handelt, konzentriert es sich zur Zeit vor allem auf die Service- und Bedienerdokumentation. Was die Unterstützung anderer Dokumenttypen anbelangt, wird man die Impulse der Anwender-Community nutzen. Wobei PI-Mod sich bewusst auf die modulare Gestaltung der Informationen beschränkt, die in derzeit sieben funktional motivierten Modultypen abgebildet werden. Die Frage, wie man diese modularen Informationen dann aggregiert, um die verschiedenen Dokumenttypen zu erzeugen, ist nicht Gegenstand des Standards, sondern bleibt dem jeweiligen Unternehmen bzw. seinem Systemlieferanten überlassen.
Frage: Wie offen stehen die Systemanbieter dieser Vereinheitlichung gegenüber?
Ziegler: Bei den ersten Projekten war es erfreulich festzustellen, dass die Anbieter sehr offen dafür sind, was auch damit zusammenhängt, dass wir keinen kommerziellen Ansatz verfolgen. Die ersten Systemhersteller, die es in ihre Systeme implementiert haben, sind Docufy, Fischer Computertechnik und Siemens. Weitere Anbieter haben ihre Bereitschaft signalisiert bzw. sind gerade an der Implementierung.
Frage: Gibt es bereits Kunden, die ihre Informationen mit PI-Mod strukturiert haben?
Ziegler: Die König & Bauer AG ist gerade dabei, ein neues Redaktionssystem auf Basis von PI-Mod produktiv mit Inhalten zu befüllen und zu nutzen. Außerdem gibt es noch drei weitere Erstimplementierungen mit anderen Redaktionssystemen.
Frage: Wie sehen die weiteren Pläne für die Standardisierung aus?
Ziegler: PI-Mod ist kein fix und fertiges Informationsmodell, sondern wird in der gemeinsamen Projektgruppe weiter entwickelt. Handlungsbedarf besteht insbesondere bei der Abbildung von Software- und Elektronikstrukturen – da müssen sicher noch weitere Strukturelemente dazu kommen. In der technischen Dokumentation wird noch häufig sehr mechanikorientiert gedacht.
Frage: Wohin können sich Interessenten wenden, die mehr über PI-Mod wissen und sich in der Projektgruppe engagieren möchten?
Ziegler: Ich möchte noch einmal betonen, dass wir PI-Mod als ein Angebot verstehen, das Unternehmen die Modularisierung und Strukturierung ihrer Informationen bei der Implementierung eines CMS erleichtern soll. Interessenten sind herzlich eingeladen, sich bei der Projektgruppe unter www.pi-mod.de anzumelden und sich direkt an uns wenden.
Herr Ziegler, wir danken für das Gespräch.
Das Interview führte Fachjournalist Michael Wendenburg.