Lost in Translation? Damit Übersetzungsprojekte nicht zur Kostenfalle werden
Weltsprache Englisch? Mitnichten: Die globale Wirtschaft spricht immer öfter auch Chinesisch, Indisch oder Arabisch. Exportierende Unternehmen stehen daher vor der Aufgabe, Vertriebs-, Marketing- und Doku-Unterlagen in vielen Sprachversionen bereitzustellen. „Eine Herausforderung, mit der gerade Mittelständler oft überfordert sind“, sagt Johannes Dreikorn, Bereichsleiter Technische Kommunikation beim Erlanger Beratungsunternehmen doctima: „Massive Überschreitungen des Zeit- und Kostenbudgets sind eher die Regel denn die Ausnahme.“
Er empfiehlt, bei Übersetzungsprojekten folgende Regeln zu beachten:
1. Worauf es bei der Erstellung der Originaltexte zu achten gilt
Ein gut übersetzbarer Quelltext ist das A und O!
Der deutschsprachige Ausgangstext sollte eindeutig formuliert werden, unübersetzbare Wortspiele gilt es dabei zu vermeiden. Ein nüchterner Stil mit klar strukturierten Sätzen macht es dem Übersetzer leicht, Inhalte korrekt wiederzugeben. Umgekehrt gilt: Ein missverständlicher Quelltext verursacht Verzögerungen und gleichzeitig Mehrkosten. Doch die Technik des „übersetzungsoptimierten Schreibens“ kann man lernen, dafür gibt es auch entsprechende Seminare und Fortbildungsangebote.
Wiederholungen machen sich bezahlt
Grundsätzlich gilt es beim Verfassen von technischen Texten und Beschreibungen zu vergessen, was der Deutschlehrer gepredigt hat. In Sachtexten ist Wiederholung Pflicht:
- Wortwiederholungen schaffen Klarheit: Es ist besser, zehnmal „Klicken Sie auf OK“ zu schreiben, als zehn alternative Formulierungen aus dem Ärmel zu schütteln. Nur so weiß der Übersetzer, dass das Gleiche gemeint ist.
- Wiederkehrende Fachbegriffe machen Texte für Fachleute verständlich und rechtssicher!
- Wiederkehrende Passagen sollten ebenfalls mehrfach verwendet werden: Wer sein Firmenprofil für jedes Datenblatt neu übersetzen lässt, verbrennt viel Geld.
Als Richtwert: Wenn alle wiederkehrenden Passagen nur einmal übersetzt werden, lassen sich Übersetzungskosten um bis zu 30 Prozent reduzieren.
Vorsicht bei Text in Grafiken
Grafiken helfen dem Leser, komplexe Zusammenhänge zu erfassen. Um unnötige Kosten bei der Übersetzung zu vermeiden, sollte man darauf verzichten, Text in Grafiken einzubetten. Erläuterungen gehören in die Legende. Ist Text in Grafiken unverzichtbar, sollten neue Sprachversionen von einem professionellen Designer angelegt werden. Dieser kommt mit Profi-Tools wie Adobe Illustrator schneller ans Ziel.
Lokalisieren der Inhalte vor der Übersetzung
Mit wortwörtlich übersetzten Unterlagen erzielen Unternehmen in den Export-Ländern keinen Markterfolg. Es lohnt sich deshalb, die Originaltexte gemeinsam mit einem Muttersprachler an die Kultur des Ziellandes anzupassen. Das beginnt mit der Adaptation von Maßeinheiten und setzt sich bei der Prüfung von Formulierungen und Bildern fort: Soll ein neuer Herd im arabischen Raum verkauft werden, muss auch der Schweinebraten von der Titelseite der Hochglanzbroschüre entfernt werden. Und, noch wichtiger: Es gilt zu klären, welche Warnhinweise im Zielland in Anleitungen enthalten sein müssen – gerade bei USA-Exporten können Verstöße richtig teuer werden.
Einmal Auf-Vordermann-bringen ist besser als jahrelanges Flickwerk!
Um das Übersetzungsmanagement zu optimieren, muss zunächst der komplette Textbestand gründlich geprüft werden. Sind die Texte gut übersetzbar? Sind Begrifflichkeiten und Formulierungen einheitlich und verständlich? Ist die Struktur klar? Das Layout übersichtlich? Der Aufwand macht sich bezahlt: Wenn die Texte einmal optimiert wurden, können Unternehmen auf Jahre hinaus von effizienten Prozessen und reibungslosen Projekten profitieren.
2. Wie den richtigen Übersetzer finden?
Niemand erwartet, dass man die Kompetenz arabischer, chinesischer oder indischer Übersetzer beurteilt. Bei der Auswahl gilt es folgende Kriterien zu beachten:
- Allein der Preis sollte nicht entscheidend sein.
- Das Büro sollte Erfahrung im Projektmanagement haben.
- Unternehmen sollten sich eine Firma aussuchen, die mehrere Muttersprachler der benötigten Zielsprache beschäftigen. So steht im Falle eines Ausfalls ein Ersatzspieler parat.
- Warum nicht vor der Entscheidung Rat beim Experten einholen – sei es bei einer professionellen Agentur oder bei einem erfahrenen Kollegen in der IHK.
3. Was IT-gestützte Übersetzungstools leisten – und was sie nicht können
Gute Technik kann gute Texte nicht ersetzen
Wenn Übersetzungsprojekte regelmäßig den Zeit- und Budgetrahmen sprengen, liegt dies meist an der Qualität der Quelltexte. Und die lässt sich weder durch die Anschaffung eines Translation Memory Systems noch durch die Einführung von XML-Standards wie DITA oder DocBook richten. Wenn es hapert, sollte das Ausgangsmaterial geprüft werden – und erst dann über Technikinvestitionen nachgedacht werden.
IT-Tools helfen, Redaktionsprozesse gezielt zu optimieren.
Natürlich kann – wenn die Ausgangstexte gut sind – mithilfe unterstützender Technologie viel Zeit und Geld gespart werden. Doch welche Technologie ist die richtige? Das hängt ganz von den Anforderungen ab:
- Unternehmen mit großem Textbestand, vielen Sprachversionen und vielen wiederkehrenden Passagen erzielen meist durch den Einsatz eines „Content Management Systems“ (CMS) nachhaltige Einsparungen.
- Wer viel mit Fachbegriffen arbeitet, sollte diese in einer zentralen Terminologie-Datenbank hinterlegen, pflegen und bereitstellen. Das sorgt für unternehmensweit einheitliche Begrifflichkeiten und garantiert hohe Textqualität.
- Unternehmen, die ein großes Übersetzungsvolumen in Eigenregie managen, können mit einem „Translation Memory System“ (TMS) Mehrfachübersetzungen vermeiden, Prozesse verschlanken und Dienstleister bedarfsgerecht einbinden.
Informationen zum Autor:
Johannes Dreikorn, doctima